Mehmel-Orgel (1875) in der Dorfkirche Spornitz (Mecklenburg-Vorpommern)
Mehmel-Orgel (1875) in der Dorfkirche Spornitz (Mecklenburg-Vorpommern) Heiko Preller

Große Freude über großartigen Klang

„Orgel des Monats Dezember 2023“ in Spornitz

Recycling für Orgeln? Ist das Zukunftsmusik? Tatsächlich wurden und werden bisweilen funktionsfähige Teile einer älteren Orgel für den Bau einer neuen verwendet. Eine Weiterverwendung der besonderen Art hat es einst bei der „Königin der Instrumente“ in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Spornitz (Mecklenburg-Vorpommern) gegeben: Nachdem die Gemeinde die 1824 erbaute Orgel nach gerade einmal 50 Jahren für nicht mehr königlich genug befunden hatte, gab es 1875 eine neue. Diese aber erhielt kein eigenes Gewand, sondern wurde auf der Westempore der Kirche in das der Vorgängerin gesteckt. Der damit zugleich alte und neue Prospekt des Instruments erhielt außerdem einen dunkelbraunen Anstrich. Ob sich dieses „Verpackungs-Recycling“ gelohnt hat? Die Gemeinde war, so scheint es rückblickend, zunächst zufrieden.

Das zweite, bis heute bestehende Innenleben der „Orgel des Monats Dezember 2023“ schuf Albert Daniel Mehmel. Der gebürtige Sachse führte gleich zwei Werkstätten: Während die meisten seiner Werke in Stralsund entstanden, wurden einige wenige auch in der Filiale in Wismar gefertigt. Die Spornitzer Orgel ist wahrscheinlich Ergebnis einer Kooperation; zumindest die Metallpfeifen sind vermutlich in Stralsund hergestellt. Grundsätzlich bescheinigen Gutachter dem Instrument mit dem romantischen Klang eine „gute Herstellungsqualität“; gleichwohl kam es nach fast 150 Dienstjahren an das Ende seiner Spielfähigkeit. Daher entschloss sich die Gemeinde, nach der aufwändigen Sanierung der Kirche auch die Orgel – die in der hellen Kirche inzwischen wie ein Fremdkörper wirkte – wieder instandsetzen zu lassen. 

Dorfkirche Spornitz

Dorfkirche Spornitz

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Dorfkirche Spornitz

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Spieltisch, Windladen, Windanlage, Pfeifenwerk – kein Teil der Mehmelschen Orgel, der nicht gereinigt und repariert werden musste. I-Tüpfelchen der umfassenden Arbeiten war die Wiederherstellung der Farbgebung des Prospekts, der nun alle Brauntöne abgeschüttelt hat und wieder in originalem Weiß mit blauen Absetzungen strahlt.

Rund 86.000 Euro hat die Rekonstruktion des Instruments gekostet, die Stiftung Orgelklang gab – eine Projektspende inklusive – 5.630 Euro dazu. Eine ordentliche Investition, die sich aber rundum gelohnt hat, sagt Pfarrer Ulrich Kaufmann. „Der neue Klang ist famos, die Gemeinde ist restlos begeistert. Die Atmosphäre in der Kirche ist eine ganz andere. Wenn man in der Bank sitzt, während die Orgel spielt, dann vibriert es im Bauch!“ Seit sieben Jahren ist Kaufmann für die Gemeinde in Spornitz zuständig, und ebenso lange hat er – gemeinsam mit dem örtlichen Förderverein – die Sanierung von Kirche und Orgel begleitet. Mitte Juni dann war es soweit: Endlich gab es das lang ersehnte, erste Konzert mit der wiederhergestellten Mehmel-Orgel. „Das war großartig: deutlich klarere Töne, eine viel größere Klangfülle – wunderbar!“

Nun sehen die Gemeindemitglieder klanglich rosigen Zeiten entgegen: Nicht nur wird es in der Advents- und Weihnachtzeit weitere schöne Orgelkonzerte geben, im kommenden Jahr soll sogar die Eröffnungsveranstaltung der beliebten „Orgelspiele Mecklenburg“ in Spornitz stattfinden. „Das ist eine große Ehre für uns“, sagt der Pfarrer. Er freut sich auf das „legendäre“ Kuchenbuffet der Spornitzer und über die gute Publicity: „Für die kleine Gemeinde wird auch von außerhalb nochmal deutlich signalisiert: ‚Hey, ihr habt einen tollen Schatz hier!‘“. Das Schönste an den Konzerten ist für den Pfarrer, dass dabei „die große Freude über den neuen schönen Klang miteinander geteilt werden kann“.