Die Martin­-Luther-­Kirche an der Ahr in Bad Neuenahr - nach dem Hochwasser.
Die Martin­-Luther-­Kirche an der Ahr in Bad Neuenahr - nach dem Hochwasser.

Intakt, aber noch heimatlos

„Orgel des Monats Juli 2023“ in Bad Neuenahr

Gute und schlechte Nachrichten gibt es aus dem Ahrtal, in dem viele Menschen noch immer mit den Folgen der Flutkatastrophe zu kämpfen haben. Für eine gute Nachricht sorgt die Stiftung Orgelklang: Sie stellt 30.000 Euro Sondermittel aus Flutspenden zur Verfügung, damit die Orgel der Martin-Luther-Kirche in Bad Neuenahr möglichst bald wieder erklingen kann. Das große Problem dabei: Die Kirche selbst ist noch weit davon entfernt, wieder genutzt werden zu können.

1976 wurde das Instrument von der Firma Ott aus Göttingen gebaut – und zwar so, dass es räumlich und farblich genau zur Kirche passte, sagt Kantorin Andrea Stenzel. Sie hat die Orgel in den letzten 20 Jahren gespielt, jeden Sonntag, bis das Wasser kam. Die Kantorin schätzt den „norddeutschen Klang“ des Werks „mit seinen Mixturen und Farben“. Die feine Mechanik des am Ideal des Barock orientierten Instruments ermöglichte ihr ein „flexibles und differenziertes Spiel“.

Keine Frage: Andrea Stenzel freut sich auf die „altvertrauten Klänge“ der Ott-Orgel, sobald das Instrument wieder in der Martin-Luther-Kirche eingezogen ist. Noch aber schlummert es gut gekühlt in einer niederländischen Werkstatt. Dorthin wurde die Orgel – vom fest montierten Gehäuse samt Prospekt abgesehen – wenige Wochen nach der Katastrophe ausgelagert: „Wir wollten das Instrument möglichst schnell in Sicherheit bringen“, sagt Pfarrer Thomas Rheindorf. Denn die unumgängliche Restaurierung der Heimatkirche, das war schon kurz nach der Flutwelle klar, würde monatelang Dreck und Feinstaub mit sich bringen. Die Orgel zurückzuholen, wieder aufzubauen und neu zu intonieren – „das wird schon mindestens 30.000 Euro kosten“, schätzt Rheindorf.

Aber wann wird das sein? Der auf der Empore gut fünf Meter über dem Boden platzierten Orgel konnten die Fluten der Ahr nichts anhaben – der Kirche insgesamt dafür umso mehr. Bis zu einer Höhe von zwei Metern mussten die vom giftigen Schlamm kontaminierten Innenwände abgeschlagen werden, der Fußboden ist herausgerissen, Bänke und Inventar, so sie noch vorhanden waren, wurden entfernt. „Inzwischen sind wir so weit, dass die Sanierung der Kirche beginnen könnte“, sagt Kantorin Andrea Stenzel. Der Konjunktiv deutet es an: Finanziell hat die hochwassergedrückte Gemeinde noch wenig Spielräume, die bürokratischen Hürden sind hoch. Zwar stellt die „Mutter“ der Stiftung Orgelklang, die Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (Stiftung KiBa) Spendenmittel in Höhe von mehr als 36.000 Euro auch für die Instandsetzung des Gotteshauses zur Verfügung. Und es gibt eine kleinere, unversehrte Kirche in etwa drei Kilometer Entfernung, mit der die Gemeinde sich jetzt begnügen muss. Aber dass es mit der Hauptkirche in Bad Neuenahr nicht erkennbar voran geht, sagt Pfarrer Rheindorf – „auch das liegt den Menschen auf der Seele“. Der Theologe hofft, dass die Lutherkirche im kommenden Jahr bereit sein wird für den Wiedereinzug der Ott-Orgel. Kantorin Andrea Stenzel ist nicht ganz so optimistisch. Sie setzt auf das Jahr 2025. Geduld haben und zuversichtlich bleiben – das scheint im Ahrtal allenthalben die wichtigste Übung zu sein – und die schwierigste.