Gerhard-Orgel (1825) in der Dorfkirche Lichtenau (Thüringen)
Gerhard-Orgel (1825) in der Dorfkirche Lichtenau (Thüringen)

Eine Gemeinde im „Orgel-Hype“

„Orgel des Monats November 2025“ in Lichtenau

Wenn es ein „Orgel-Gen“ gäbe: Richard Müller hätte es. Der trotz seiner 32 Lebensjahre zu den Kirchenältesten in der thüringischen Kirchengemeinde Lichtenau gehörende Ingenieur bringt sich nicht nur gerade selbst das Orgelspiel bei. Die Faszination für den Orgelklang hat er eindeutig geerbt: Sein Übungsinstrument, eine alte Transistor-Orgel, stammt von seinem Großvater („er arbeitete in einem Logistikunternehmen und spielte auch nur nebenbei“), seine Mutter ist hauptberufliche Kirchenmusikerin. Und keinesfalls zuletzt treibt Richard Müller die Sanierung der Orgel in der Lichtenauer Dorfkirche voran.

Das 1825 von Johann Christian Adam Gerhard eigens für die Kirche erbaute Instrument auf der Empore über dem Eingang hat bislang geschwiegen, mehr als 20 Jahre lang. Richard Müller fand das, wie viele andere in der Gemeinde, „sehr schade“; insbesondere „zu Weihnachten, wenn der Gesang der Gemeinde mit Musik vom Band begleitet wurde“. Eines Tages packte ihn die Neugier und er probierte die alte Orgel aus – nichts geschah. Der Ingenieur ließ nicht locker: Auf dem Dachboden der Kirche entdeckte er, dass die Verbindung zwischen Balg und Rollenventil gerissen war, der Winderzeuger aber, wenn das Ventil von Hand betätigt wurde, den „einen oder anderen Ton“ hervorbrachte. Heiligabend 2023 hatten Richard Müller und die Gerhard-Orgel dann ihren großen Auftritt, ein Orgelnachspiel, das trotz (oder vielleicht auch wegen) aller Mühen rundum beeindruckte. Die Gemeinde, berichtet der Kirchenälteste, ist seitdem in einen regelrechten „Hype“ versetzt; alle wollen, dass das alte Instrument wiederhergestellt wird. 

Dorfkirche Lichtenau

Dorfkirche Lichtenau

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Rund 70 Mitglieder hat die kleine Gemeinde in Lichtenau, und die tun, was sie nur irgend können: Die Orgelpfeifen, die für 70 Euro pro Klangkörper symbolisch an Patinnen und Paten überschrieben werden, haben (neben weiteren Privatspenden) schon mehr als 9.000 Euro eingespielt. Benefizkonzerte (das nächste bestreitet Müllers Mutter Jutta mit acht Holzblasinstrumenten Anfang des Monats) werden von Kaffee- und Kuchenangeboten flankiert, damit es noch mehr Spenden gibt. Auch wenn Kirchenkreis und Landeskirche die größte finanzielle Last tragen, ist jeder weitere Euro wichtig. „Deshalb sind wir auch für die Unterstützung der KiBa sehr dankbar“, betont Richard Müller.

Das Engagement in Lichtenau hat schon ansehnliche Früchte getragen; der erste von drei geplanten Bauabschnitten, den die Stiftung Orgelklang mit 5.000 Euro unterstützt, ist so gut wie geschafft. „Tatsächlich ist bereits die Windanlage restauriert, das Gebläse ist ausgebaut und in die Werkstatt verbracht“, berichtet der Ingenieur. Alle Orgelbestandteile, die aus Holz bestehen, seien aufgearbeitet, die Balgleder komplett erneuert, die Elektrik neu gemacht. „Jetzt muss nur noch der Winddruck eingestellt werden, und das Instrument kann beim nächsten Benefizkonzert zumindest symbolisch mitklingen.“

Das Konzert, hofft der Kirchenälteste, wird die Spendenwilligkeit noch einmal beflügeln. Denn die Lichtenauer haben noch viel vor: Die Windladen der Orgel müssen ebenso restauriert werden wie die Trakturen, der Spieltisch und das Gehäuse. Abschließend ist das restliche Pfeifenwerk an der Reihe; dazu gehört auch, dass die im Ersten Weltkrieg eingeschmolzenen Prospektpfeifen durch neue ersetzt werden. Damit wird sich die Optik der Orgel grundlegend verändern: Bisher hatten weiße Zierlatten die fehlenden Pfeifen in der ersten Reihe kaschiert. „Da werden sich sicher einige Leute wundern, die dachten, dass das Gehäuse so aussehen muss, wie es seit 1917 aussieht“. Rund 105.000 Euro werden alle Arbeiten zusammen kosten.

Wenn das Gerhard-Instrument (spätestens im Jahr 2027) wieder gottesdiensttauglich ist, soll es auch mehr Konzerte mit Orgelbeteiligung in Lichtenau geben, die Musik noch weiter in den Fokus rücken. Und wer weiß, vielleicht wird auch Richard Müller das eine oder andere Mal am neuen Spieltisch sitzen? Zu wünschen wäre es.