Heerwagen-Orgel (1861) in der Dorfkirche Weischütz-Laucha
Heerwagen-Orgel (1861) in der Dorfkirche Weischütz-Laucha

In Weischütz heißt es „All In“ für ein besonderes Instrument

„Orgel des Monats September 2025“

Wer bei Martin Hoffmann anruft, erreicht ihn in diesen Tagen nicht immer sofort: Diesmal muss der Kirchenälteste der Gemeinde Weischütz (Sachsen-Anhalt) erst von einer Leiter heruntersteigen, um das Telefon anzunehmen. Er hat in der Weischützer Dorfkirche gearbeitet - dort, wo normalerweise die Heerwagen-Orgel mit ihrem schlichten weißen Prospekt zu finden ist. Hoffmann berichtet, dass er gerade dabei ist, Vogelmist zu entfernen („Wir haben ein kleines Problem mit den Spatzen“). Zusammen mit anderen Freiwilligen reinigt er die Glockenstube und dichtet sie gegen ungebetene Fluggäste ab. Zuvor wurden schon die Galerien auf der Empore verputzt und neues Licht gelegt: Die Gemeindeglieder machen klar Schiff – oder besser: „klar Kirche“ – für die Rückkehr ihrer Orgel.

Das in Abwesenheit so umhegte Instrument befindet sich derzeit in der Werkstatt in Halberstadt. Dort erfährt es eine Sommerfrische der besonderen Art: Klaviaturen werden aufgearbeitet, Trakturen gereinigt, Windladen repariert. Die Windanlage erhält ein neues Gebläse, das Pfeifenwerk endlich wieder Pfeifen aus Zinn, die so konstruiert sind wie die, die im Ersten Weltkrieg abgegeben werden mussten. Alle Maßnahmen haben ein Ziel: Die Orgel soll wieder spielbar werden. 66.000 Euro wird dieses Vorhaben kosten, die Stiftung Orgelklang fördert es mit 4.000 Euro.

Dorfkirche Weischütz

Dorfkirche Weischütz

Dorfkirche Weischütz

Dorfkirche Weischütz

Dorfkirche Weischütz

Dorfkirche Weischütz

Dorfkirche Weischütz

Dorfkirche Weischütz

Dorfkirche Weischütz

Dorfkirche Weischütz

auf der Landkarte anzeigen

Das Instrument für die Dorfkirche entstand im Jahr 1861 unter Leitung von Friedrich Wilhelm Heerwagen, dessen Werkstatt sich nur wenige Kilometer südwestlich von Weischütz in Klosterhäseler befand. „Die Experten sagen, dass es sich um ein solides Werk handelt“, berichtet Martin Hoffmann. Ihn persönlich fasziniert vor allem die Entstehungsgeschichte des Instruments, die er kennengelernt hat, als er mit anderen Interessierten für die umfassende Dorfchronik recherchierte. „Die Idee für die Anschaffung einer Orgel gab es schon 1850“, sagt er. Zunächst habe man ein Angebot für 400 Taler erhalten, „das war der Gemeinde aber zu teuer“. Statt das Vorhaben aufzugeben oder auf eine „Lösung von oben“ zu hoffen, fanden die Weischützer selbst eine: Sie baten Wilhelm Heerwagen um den Bau eines Instruments, das teils aus neuen, teils aus gebrauchten Materialien bestehen sollte. „Auf diese Weise wurden die Anschaffungskosten halbiert“, weiß der Kirchenälteste, der sich besonders freut, dass die Gemeinde schon damals auf Eigeninitiative gesetzt hatte. „Das wiederholt sich jetzt“, betont er. „Das ganze Dorf will die Orgelsanierung, immer wieder werde ich gefragt, wie weit wir schon sind“.

Ausbau der Orgelpfeifen

Ausbau der Orgelpfeifen (c) Claudia Schmidt

Ausbau der Orgelpfeifen

Ausbau der Orgelpfeifen (c) Claudia Schmidt

Ausbau der Orgelpfeifen

Ausbau der Orgelpfeifen (c) Claudia Schmidt

Die Weischützer meinen es ernst: Nicht nur, dass sie den Orgelbauer im Dorf untergebracht und beim Ausbau des Instruments vor ein paar Wochen geholfen haben. Auch bei der Finanzierung des Projekts gab es allseits Unterstützung. Das Luftwaffenmusikcorps Erfurt spielte zum Benefizkonzert auf („allein das erbrachte schon 4000 Euro!“), die Kirche blieb ganzjährig geöffnet, was viele Fahrerinnen und Fahrer des Unstrut-Radweges mit einer Spende goutierten. Besonders schön ist die Geschichte von dem Weischützer, der Anfang des Jahres bei einer Radio-Aktion gewonnen und die Hälfte des Gewinns – stolze 500 Euro - für die Orgel abgegeben hat. Auch beim alljährlichen „Weihnachtstheater mit christlicher Botschaft“, wie Hoffmann das meist sehr modern inszenierte Krippenspiel nennt, sei in den vergangenen Jahren gesammelt worden.

Wie das „Weihnachtstheater“ in diesem Dezember aussehen wird, ist noch nicht bekannt. Deutlich ist aber schon jetzt, dass die Arbeiten an der Orgel gut vorankommen, erst kürzlich konnten Martin Hoffmann und seine Mitstreiter eine entsprechende Dokumentation begutachten. Sehr wahrscheinlich wird das Instrument also in den kommenden Festtagen für eine besondere Klangfarbe sorgen.