Gesell-Orgel in der Dorfkirche Glindow

Wiederherstellung eines Vorzeigemodells

„Orgel des Monats September 2020“ in Glindow

Wussten Sie, dass die Orgel das einzige Instrument ist, für das es keine festen Bau- und Maßvorgaben gibt? Das betrifft auch die Fassade des Instruments, den Prospekt. Oft ist er dem Stil der Kirche, in der sich die Orgel befindet, angepasst. - Solches lernt, wer zum Beispiel den Gemeindebrief der Evangelischen Heilig-Geist-Kirchengemeinde Werder (Havel) studiert. Konkret geht es dort um die Gesell-Orgel in der zur Gemeinde gehörenden Dorfkirche im brandenburgischen Glindow, deren Fassade dem neogotischen Stil des Gebäudeinneren entspricht. Das Besondere daran: Orgelprospekte dieser Art gibt es erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1853 gefertigt, ist das Instrument in Glindow eines der ersten in dieser Bauweise, für seine Zeit also ein hochmodernes Vorzeigemodell. Auch in der Disposition war die von Carl Ludwig Gesell erbaute Orgel ihrer Zeit voraus, sie entsprach nämlich schon dem romantischen Klangideal. Klang und Bauweise machten sie zu einem Prototyp für eine ganze Generation von Orgeln in der preußischen Kaiserzeit.

Gründe genug, das Instrument – zudem eines der wenigen noch erhaltenen von Carl Ludwig Gesell – weiterhin zu pflegen und zu bewahren, damit es auch künftig in der Dorfkirche klingen kann. Ein Umbau in den 70er Jahren wird im Nachhinein als „unglücklich“ empfunden; „selbst Laien haben gehört, dass die Orgel nicht gut klang“, sagt Pfarrerin Andrea Paetel.

Wie die meisten Gemeinden hatte man im Ersten Weltkrieg auch in Glindow die Prospektpfeifen des Instruments zu Kriegszwecken ausbauen lassen und abgeben müssen. Zum Glück wurden die Maße dieser Pfeifen dabei dokumentiert, und zwar von Alexander Schuke, dessen Orgelbaufirma Ende des 19. Jahrhunderts aus der Werkstatt von Carl Ludwig Gesell hervorgegangen war. Ebendiese Firma ist nun mit der Sanierung des Instruments beauftragt. Dabei werden die Windladen und der Pfeifenbestand restauriert, aber eben auch 57 neue Prospektpfeifen gebaut – nach den originalen Angaben aus dem Schuke-Archiv.

Dorfkirche Glindow

Dorfkirche Glindow

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Rund 51.000 Euro wird die Instandsetzung des Instruments kosten; die Stiftung Orgelklang fördert das Projekt mit 3.000 Euro. Den finanziellen Eigenanteil hat die Gemeinde durch kontinuierliche Spendengewinnung beisteuern können. „Seit vier oder fünf Jahren gab es beim traditionellen Adventsbazar einen Stand, bei dem Kuchen und anderes zugunsten der Orgelsanierung verkauft wurden“, so Pfarrerin Paetel. Besonders gut lief der Verkauf von alten Orgelpfeifen im vergangenen Jahr, schwärmt sie. 

Schon im Oktober soll das Instrument wieder in der Dorfkirche klingen, zur Erhebung von Gottesdienstbesucherinnen und -besuchern beitragen, Konzerte ermöglichen und für die Ausbildung ehrenamtlicher Organisten aus der Region zur Verfügung stehen. Mit der restaurierten Orgel ist die Glindower Kirche dann wieder genauso gut ausgestattet wie die zweite Kirche der Gemeinde, die Heilig-Geist-Kirche. „Gleichklang“ ist das Schlüsselwort, meint die Pfarrerin: Wiederhergestellt werden die harmonischen Klänge des Instruments in Glindow, aber auch die Nutzung der Kirchen wird wieder eine vergleichbare Intensität gewinnen. „Wir haben hier einen tollen Chor und viele engagierte Organisten, deshalb hat die Instandsetzung der Orgel in Glindow große Bedeutung für die gesamte Gemeinde“.